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Kultur & Lesen

Geschwister-Scholl-Preis

Sinn und Ziel des Geschwister-Scholl-Preises ist es, jährlich ein Buch jüngeren Datums auszuzeichnen, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben. Der Preis wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. gemeinsam mit der Landeshauptstadt München seit 1980 vergeben und ist mit € 10.000,- dotiert.

Ausgezeichnet wird ein Buch, das im Jahr der Preisverleihung oder im Jahr davor erschienen ist. Eine Eigenbewerbung ist nicht möglich. Der Kulturausschuss der Stadt und der Vorstand des Verbands entscheiden über die Vergabe des Preises auf Vorschlag einer Fachjury. Die Preisträgerin oder der Preisträger wird in der Regel Anfang Oktober bekanntgegeben. Die Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2025 in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München ist für den 25. November 2025 geplant (nur mit Einladung).

Geschwister Scholl-Preis 2025

Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus (Suhrkamp)

Jurybegründung:

Mit „Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus“ legen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ein Werk vor, das die politische Gegenwart eindringlich und zugleich mit großer Sensibilität ausleuchtet. Im Mittelpunkt steht die Erfahrung vieler Menschen, dass die Versprechen liberaler Demokratien – Freiheit, Teilhabe, soziale Sicherheit – zunehmend als unerfüllt wahrgenommen werden. Aus dieser Enttäuschung erwächst eine eigentümliche Lust an der Zerstörung.

Der von den Autor*innen entwickelte Begriff des „demokratischen Faschismus“ beschreibt eine Haltung, die mitten in der Demokratie entsteht: eine Mischung aus Ressentiment, regressiver Rebellion und faschistischen Fantasien, die Institutionen nutzt, um sie zugleich auszuhöhlen. Diese Diagnose gründet in einer Vielzahl von Stimmen: Interviews, Protokollen und Beobachtungen, die von Verunsicherung und Ausgrenzung berichten. Gerade diese Vielstimmigkeit macht deutlich, wie weit das Phänomen in die Gesellschaft hineinreicht – von der verunsicherten Mitte bis in radikalisierte Milieus.

Amlinger und Nachtwey vermeiden einfache Schuldzuweisungen. Sie legen frei, welche Strukturen den Boden für destruktive Energien bereiten: wachsende Ungleichheit, der Verlust von Status und Zugehörigkeit, die Erosion gemeinsamer Verbindlichkeiten. So wird sichtbar, dass Zerstörungslust Ausdruck einer demokratischen Krise ist, die tief in den affektiven Schichten unserer Gesellschaft wurzelt.

Die Sprache des Buches ist klar und konzentriert, verdichtet statt zu überhöhen, macht komplexe Zusammenhänge durchsichtig, ohne an Tiefe zu verlieren.

„Zerstörungslust“ zeigt unübersehbar, dass die Gefährdung der Demokratie nicht nur von außen kommt, sondern aus uns selbst erwächst. In dieser schonungslosen Analyse wird deutlich, warum das Buch den Geschwister-Scholl-Preis erhält: Es bezeugt geistige Unabhängigkeit, indem es gängige Erklärungsmuster durchbricht und unbequeme Wahrheiten ausspricht. Und es fordert bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut, indem es die Lesenden dazu herausfordert, sich den Selbstgefährdungen der Demokratie zu stellen und Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen.

Zugleich weisen die Autor*innen über die Diagnose hinaus: Mit dem Begriff eines „neuen Antifaschismus“ entwerfen sie eine Haltung, die nicht beim pädagogischen Appell stehenbleibt, sondern soziale Gerechtigkeit, demokratische Teilhabe und eine erneuerte Vorstellung von Freiheit ins Zentrum stellt. Damit aktualisiert das Buch das Vermächtnis der Geschwister Scholl – und macht es für unsere Zeit lebendig.

Informationen zu der Preisträgerin und dem Preisträger 2025 sowie das vollständige Archiv des Geschwister-Scholl-Preises mit allen Reden ist zu finden unter www.geschwister-scholl-preis.de.

Coverdaten Zerstörungslust. Elemente des Demokratischen Faschismus

Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2024